„Wir gehen in 31:00 min an, okay?“ – Etwas überrumpelt von Sebastian Reinwands Ansage kurz vor dem Start des Bienwald-Halbmarathons, die er mit Blick auf mich und einige der umstehenden und als schnell einzuschätzenden Laufkollegen tätigte, habe ich erstmal instinktiv genickt. 31 glatt? Das war meiner 10er-Bestzeit deutlich näher als dem Durchgangstempo meiner bisherigen Halbmarathon-Bestzeit von 1:07:54 h, aufgestellt vor einem knappen Jahr in Paderborn. Diese heute zu unterbieten, erschien mir vor dem Start kein Ding der Unmöglichkeit. Als Angangszeit erschien mir hier eine mittlere bis hohe 31 bei 10 km zwar eher geeignet, aber den Mutigen gehört ja bekanntlich die Welt und manchmal läuft so ein Rennen ja ohnehin ganz anders als geplant.
So ging es also pünktlich um 10 Uhr auf die brettflache Strecke durch Kandel, Minfeld und den Bienwald, die für schnelle Zeiten ja prädestiniert und bekannt ist. Und Sebastian Reinwand fackelte auch nicht lange und legte gleich von Beginn an ein hohes Tempo vor, das zunächst nur Mitku Seboka, Martin Diebold und ich mitgehen konnten. Die ersten 3 km absolvierten wir wie vorausgesagt im 3:06er-Schnitt, ehe sich die Gruppe schon langsam in der Auflösung befand. Martin musste ein paar Meter abreißen lassen und auch für mich war das Tempo zu hoch. So klaffte nach 5 km zunächst eine Lücke zwischen Sebastian und Mitku sowie zwischen Mitku und mir. Kilometer 10 passierte ich auf der heute ziemlich windstillen Strecke nach 31:23 min. Kurz darauf konnte ich auch das Loch zwischen Mitku und mir, das zwischenzeitlich mal auf etwa 30 Meter angewachsen war, wieder schließen und auch an ihm vorbeiziehen. Sebastian zog dabei sein Tempo voll durch, war aber dank der langen Geraden zumeist noch im Blickfeld. Ich pendelte mich derweil bei km-Schnitten zwischen 3:07 und 3:13 min/km ein. Die Beine wurden zunehmend schwerer, doch konnte ich die Geschwindigkeit noch in einem Bereich halten, der mich auf eine neue Bestzeit hoffen ließ, möglicherweise sogar auf eine Zeit unter 1:07 h. Ein etwas langsamerer 18. Kilometer ließen dann nochmal kurz Zweifel aufkommen, der aber direkt vom finalen Kampfgeist abgelöst wurde. Beim Blick auf die Uhr bei km 20 ließ mich ob der angezeigten 1:03:30 h wieder Hoffnung schöpfen und ich legte nochmal alles in die letzten 1,1 km. Die finalen 300 m werden dabei traditionell auf der – heute etwas glitschigen – Tartanbahn des Bienwald-Stadions absolviert. Ein Blick zur großen Uhr im Zielbereich nach dem Einbiegen auf die Zielgerade verschaffte mir dann eigentlich die Gewissheit, dass es sicher reichen würde. Eigentlich. Denn nach dem Überqueren der im Zielbereich ausgelegten Zeitnahmematte und der Begrüßung durch Moderator Wolfgang Behr ließ ich bereits etwas austrudeln, als ich plötzlich von einem Helfer zum Überqueren der etwa 15 – 20 Meter dahinter ausgelegten zweiten Zeitnahmematte aufgefordert wurde, die wohl für die tatsächliche Zeitmessung zuständig war. Dies tat ich dann nach einem neuerlichen kurzen Antritt auch und konnte aus dem Augenwinkel noch eine 1:06:57 h erkennen. So hieß es erstmal noch noch abzuwarten, was die offizielle Ergebnisliste verlauten würde.
Auf dieser hieß es dann: Brutto 1:07:01 h – Netto: 1:06:59 h. Auf Grund der Tatsache, dass der DLV seit einigen Jahren die Nettozeit bei Bestenlisten zulässt und da es bei direkter Kenntlichmachung der Zielmatte auf jeden Fall auch Brutto für eine Zeit unter 1:07 h gereicht hätte, werde ich ab sofort aber auch diese ganz hohe 1:06 h als Bestzeit führen. Klingt für manchen Nichtläufer vielleicht nach Haarspalterei, manch Gleichgesinnter wird es aber sicherlich verstehen.
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